Im-Bilde-Sein. Monochrome Anthrazittöne und bleiern wirkende Plastizität: Das sind zwei Kennzeichen einer Malerei in der Endzeit des zweiten Jahrtausends unserer Zeitrechnung. Diese Malerei will Grenzen ausloten, will sich selbst auf die Probe stellen, sucht nach eigener Bedeutung und Kraft. Der Maler Fred Schierenbeck setzt im Zeitalter der virtuellen Welten, der unendlichen Reproduzierbarkeit aller Dinge auf die identitätsstiftende Einmaligkeit seiner Kunst. Die Autonomie der Bilder ist vermutlich auch ihre letzte Überlebens-chance, wenn es ihr gelingt, eine neue Einheit von Bild und Raum zu schaffen, die das Auge und damit den Geist des Menschen fordert, ihm aber Möglichkeiten anbietet. Bilder haben nichts von ihrer ursprünglichen Kraft eingebüßt, wenn sich Menschen in ihnen erkennen und an sie glauben (Fred Schierenbeck, in: Malen als Ritual). In Schierenbecks Bildern focussiert sich die zentrale Frage der Malerei, auf welche unterschiedliche Weise Bilder Wirksamkeit entfalten und was Bilder im Prozeß der Betrachtung bewirken können. Die Kraft seiner großen, in karthartisch-eruptiven Malprozessen entstandenen Bilder wird sich letztlich daran messen lassen müssen, ob es ihnen gelingt, den Betrachter zu befähigen,in ihnen den abstrakten Sehfeldern eigene Bildfindungen zu realisieren. Wenn sich in der Einheit von Bild und Raum eine sensualistisch wirksame Zone des Im-Bilde-Seins (Schierenbeck) ergibt, die den Betrachter auf emotionale Weise herausfordert, ihm die Tiefe menschlicher Existenz und deren ständige Gefährdung spüren läßt, seine geistige Kraft bündelt und mobilisiert, wird die Malerei Fred Schierenbecks ihrem eigenen Anspruch gerecht: Alles Wahrnehmen ist auch Denken. Die Bewußtwerdung durch Sehen kann so den schon vielfach besetzten Begriff des Im-Bilde-Seins auf tief-menschliche Weise in der noch ungewissen Zukunft des 21. Jahrhunderts erweitern.
Prof. Dr. Theodor Helmert-Corvey, Daniel-Pöppelmann-Haus, Herford, in:
Die aufgehobene Zeit, Katalog 1996